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Channel: Dystopie – Wortmalerei
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Das Feuerzeichen von Francesca Haig

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Durch eine nukleare Explosion wurde die Welt verseucht und die Menschheit zurück ins Mittelalter katapultiert. In der zerstörten Welt werden nur noch Zwilling geboren – einer perfekt und makellos, der Alpha, der andere, der Omega, makelbehaftet. Und dennoch sind beide unumstößlich miteinander verbunden, so sehr, dass das Überleben des einen vom anderen abhängt. In dieser Welt lebt die siebzehnjährige Cass, die als Omega geboren wurde, und der grausamen Herrschaft ihres Zwillingsbruders Zach entkommen will. Cass will der Ungerechtigkeit des Systems nicht mehr ausgeliefert sein und kämpft für Freiheit und Gerechtigkeit – doch sie muss vorsichtig sein, denn ihr Leben hängt von Zachs ab. Und umgekehrt.

Manche Geschichten brauchen ihre Zeit – Zeit, um sich zu entfalten, zu entwickeln und zu reifen. Diese Art von Geschichten sind meistens die, die einem im Kopf bleiben und von denen man sich am schwersten lösen kann; einfach, weil man viel Lesezeit investiert und dadurch sehr mit der Welt verschmilzt. „Das Feuerzeichen“ ist definitiv eine sehr zeitintensive Geschichte, für die man ein wenig Geduld mitbringen muss. Das birgt gleichzeitig Segen und Risiko und tatsächlich treffen beide Elemente auf diese komplexe Geschichte zu: einerseits ist „Das Feuerzeichen“ sehr intensiv, im Sinne des Leseerlebnisses, und das obwohl das Buch insgesamt eine sehr ruhige Atmosphäre an den Tag legt. Es geschieht viel, aber es geschieht mit vielen Rückblicken, vielen Erinnerungen und vielen Worten. Andererseits ist die Konsequenz daraus, dass die Geschichte hier und da auch einige Längen hat. Ebenfalls auffällig ist die sehr kühle und distanzierte Atmosphäre – trotz Ich-Erzähler steht der Leser oftmals nur am Rand des Geschehens, sodass es ihm schwer fällt, vollkommen in das Geschehen einzutauchen.


Eine mutige Kombination – ein langsamer Erzählstil gepaart mit einer distanzierten Atmosphäre. Mutig, aber auch irgendwie faszinierend. Generell ist die ganze Geschichte faszinierend (nicht immer im positiven Sinne) und punktet vor allen Dingen durch die spannende, originelle und weitesgehend unverbrauchte Idee. Besonders das Setting hat mich weitesgehend beeindruckt – die Erde mit postapokalyptischem Charme und Zwei-Klassen-Gesellschaft. Da man, gemeinsam mit Protagonistin Cass, auf der Flucht ist, bekommt man auch viel von der Umwelt zu sehen und erkundet quasi gemeinsam mit ihr diese (in vielerlei Hinsicht) zerstörte Welt. Und die ist definitiv nichts für schwache Nerven, denn das gesellschaftliche System ist geprägt von Unterdrückung, Diskriminierung und Folter. Für die Alphas, die obere Gesellschaftsschicht, sind die Omegas kaum noch Menschen und so werden sie auch behandelt, was teilweise mehr als erschreckend ist und sehr an das dritte Reich erinnert.

Die Bindung, die man zu den Figuren aufbaut, ist, wie bereits erwähnt, relativ distanzierter Natur. Ich-Erzählerin Cass ist man da noch am nächsten, wobei auch sie mich nicht hundert Prozentig überzeugen konnte. Generell wirkten die Figuren mir zu konstruiert, natürlich mit der ein oder anderes Ausnahme. Oftmals wurde ich das Gefühl nicht los, dass das starke Setting und die grausame Welt die Figuren schlichtweg untergraben – sie schaffen es einfach nicht, dieser Stärke des Buches zu entsprechen und geben dementsprechend ein wenig unter. Hinzu kommt die Tatsache, dass Haig sich viel Zeit für alles lässt, besonders für Cass, deren Charakter mit vielen Erinnerungen immer wieder aufgearbeitet wird, was die Figuren in vielerlei Hinsicht für mich „gerettet“ hat. Eben diese Zeit brauchten sie, damit man sie als Leser nachvollziehen kann. Dennoch: vollkommen umgehauen hat mich niemand.

„Das Feuerzeichen“ ist eine intensive Geschichte, für die man sich schlichtweg Zeit nehmen muss. Ich kann mir vorstellen, dass sie nicht jedem gefallen wird, da die vielen Zeitsprünge ermüdend wirken können. Wer auf der Suche nach einer dystopisch-postapokalyptischen Geschichte ist und die ein oder andere Länge verkraften kann, sollte sich „Das Feuerzeichen“ jedenfalls einmal genauer ansehen


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